Pro-Polizei-Vorstand besuchte Hessische Erstaufnahmeeinrichtung Gießen
Perfekte Organisation – 75 Prozent ohne Papiere
Auf Einladung des Regierungspräsidenten Dr. Christoph Ullrich waren Vertreter des Vorstandes von Pro Polizei Wetzlar, darunter Vorsitzender Hans-Jürgen Irmer und seine beiden Stellvertreterinnen Heike Ahrens-Dietz und Lisa Schäfer und weitere Vorstandskollegen, zu Gast in der Erstaufnahmeeinrichtung des Landes Hessen.
Vor einer Aussprache konnte der Pro-Polizei-Vorstand die perfekte Organisation der Erstaufnahmeeinrichtung besichtigen. Sie hatten die Möglichkeit, den Weg des Asylbewerbers/Flüchtlings von der Ankunftshalle zum Info-Point über die erkennungsdienstliche Behandlung, fotografische Erfassung bis hin zur medizinischen Untersuchungs- und Versorgungspassage zu durchlaufen. Alles perfekt eingefahrene Verwaltungsabläufe in digitalisierter Form mit sehr engagierten Mitarbeitern, denn die, die dort arbeiten, sind alle freiwillig da, das Ganze im Dreischichtbetrieb in Teilen der Anlage Das Gelände ist eingezäunt. Es gibt einen stark präsenten Securitydienst, sehr viel Videoüberwachung, so dass mögliche Auseinandersetzungen schnell unterbunden werden können. Wenn das alles nicht reiche, so die Aussage, müsse im Notfall die Polizei hinzugezogen werden.
Im Standort Gießen befinden sich derzeit rund 2000 Asylbewerber. Im vergangenen Jahr sind hier rund 21.000 reguläre Asylantragssteller und circa 8.000 ukrainische Kriegsvertriebene aufgenommen worden. 488 unbegleitete minderjährige Ausländer (umA) wurden im Ankunftszentrum Gießen dokumentiert und an das Jugendamt Gießen weitergeleitet, dazu kommen 252 begleitete Minderjährige im Fluchtverbund. Leider, so Regierungspräsident Dr. Ullrich, hätten nur rund ein Viertel Pässe oder andere Dokumente zur Identitätsfeststellung dabei, im Gegensatz zu den Ukrainern, die in der Regel zu 100 Prozent Unterlagen mit sich führen würden.
Von den Ukrainern abgesehen, seien 25 Prozent der Asylanten Afghanen, 12 Prozent Syrer und 10 Prozent Türken. Der Rest verteile sich auf einige Dutzend andere Nationen. Die Verweildauer variiere sehr stark. Sie gehe hin bis zu 18 Monaten, so dass man auch eine Sozialbetreuung mit schulischer und Kindergartenbildung in freiwilliger Form anbiete. Dies sei ein wertvoller Beitrag zu einer gewissen Strukturierung des Alltags, gerade für die Kinder.
Sozialleistungen als Zuzugsanreiz
Man müsse sehr deutlich formulieren, so Dr. Ullrich, dass die hohen Sozialleistungen ein Anlockungspunkt für Menschen aus Ländern seien, die sich in wirtschaftlich schwierigen Zeiten befänden. Dies könne man menschlich nachvollziehen, sei aber kein Asylgrund. Eine Position, die die Vertreter von Pro Polizei uneingeschränkt teilten. Deshalb habe er, so Dr. Ullrich, bei allen guten theoretischen Ansätzen des gemeinsamen europäischen Asylsystems Bedenken, dass es in der Praxis funktioniere, denn selbst wenn zum Beispiel Osteuropäer bereit seien, Asylbewerber nach einer bestimmten Quote aufzunehmen, wozu sie allerdings nach wie vor nicht bereit seien, würden dort aufgenommene Asylbewerber über kurz oder lang ihren Weg nach Deutschland finden.
Keine Papiere
Ärgerlich sei es für die Bediensteten ohne jeden Zweifel, wenn etwa 75 Prozent der Ankommenden erklärten, sie hätten keine Papiere bei sich, wobei jeder wisse, dass die Papiere in der Realität vorhanden seien. Diese seien in der Regel bei Freunden außerhalb der Einrichtung geparkt, so dass man sie für spätere Zwecke verwenden könne. Dies erschwere aber erst einmal die Arbeit vor Ort. Das Problem für seine Behörde sei, so Dr. Ullrich, dass es diesbezüglich auch keine Sanktionsmöglichkeiten gebe. Sinn würde es machen, wenn man diejenigen, die keine Papiere bei sich hätten, so lange in einer geschlossenen Einrichtung unterbringe, bis die Identität geklärt sei. Gleichzeitig müsse die Liste der sicheren Herkunftsstaaten zwingend ausgeweitet werden. Dies sei aber eine politische Frage, die die eine neue Bundesregierung lösen müsse.
Handy-Auswertung?
In seiner damaligen Eigenschaft als Bundestagsabgeordneter, so Irmer, habe er 2018 öffentlich nachgefragt, ob denn nicht zumindest Handydaten ausgelesen werden könnten, denn Handys hätten alle. Dafür habe er massive Kritik von Datenschützern und anderen Befürwortern offener Grenzen erhalten. Die jetzige Lage sei nicht zufriedenstellend, so der RP. Man habe zwar die Möglichkeit, aber nur unter sehr engen rechtlichen Bedingungen, so dass das für die Praxis nicht tauge. Auch dies ein Punkt, der von einer zukünftigen Bundesregierung zwingend neu geregelt werden müsse. Die Wahrscheinlichkeit, dass jemand mit seinem eigentlichen Heimatland telefoniere, sei ja nicht von der Hand zu weisen.
Verfahrenswege beschleunigen
Auch wenn in der Erstaufnahmeeinrichtung Gießen für das Bundesland Hessen die Abläufe optimal koordiniert seien, Hessen sei in dieser Frage sehr weit vorne, schon in den Jahren 2015/2016, müsse man klar konstatieren, dass die Verfahrenswege rechtlich gesehen einfach zu lang seien. Hier sei, so Irmer, zu prüfen, ob man nicht die Verfahrenswege per Gesetz drastisch reduziere, denn mit diesem Verfahren werde schließlich auch die Justiz lahmgelegt.
50 Milliarden Kosten
In diesem Jahr werden voraussichtlich ca. 200.000 bis 250.000 Menschen neu um Asyl ersuchen. Zusätzlich müssen noch ca. 100.000 Personen hinzugezählt werden, die im Rahmen der Familienzusammenführung nach Deutschland einreisen dürfen. Die gesamtstaatlichen Kosten, auf allen Ebenen, werden auf rund 50 Milliarden Euro geschätzt.
Dr. Ullrich erklärt, dass das Grundgesetz grundsätzlich vorsieht, all jenen zu helfen, die aus politischen Gründen um ihr Leben fürchten müssen. Zur Wahrheit gehöre aber, dass dies die Wenigsten in der Erstaufnahmeeinrichtung seien. Und deshalb sei die Politik gefordert, im Interesse des Zusammenhalts des Staates sehr zeitnah Lösungen zu finden, die den Missbrauch verhindern würden.
Pro-Polizei-Vorsitzender Hans-Jürgen Irmer dankte dem Regierungspräsidenten für die Möglichkeit, einen so vertiefenden Einblick gewährt zu haben und für die Bereitschaft, drei Stunden Zeit zu investieren, um die Einrichtung vorzustellen und Fragen in sehr offener Form zu erörtern, sowie den überaus kompetenten, engagierten und motivierten Mitarbeitern.